Der deutsche Wald und der Druck der Wirtschaftlichkeit

Der deutsche Wald wächst – jedes Jahr! Das zumindest wird uns in jährlichen Statistiken vermittelt. Zwischen 1992 und 2008 soll die Waldfläche in Deutschland durchschnittlich einen jährlichen Zuwachs von 176 Quadratkilometern erhalten haben. Das klingt zunächst gut, ist aber Augenwischerei. Denn bis zum Jahr 2010 war es zum Beispiel üblich, landwirtschaftliche Brachflächen die mit Bäumen und Büschen bewachsen sind, als „Waldfläche“ auszuweisen. Somit dürfte das viel beklagte „Höfe-Sterben“ in dieser Zeit ein wesentlicher Verursacher des Waldzuwachses in Deutschland gewesen sein. Natürlich können im Laufe der Jahre auf solchen Flächen, oder auch z. B. auf umgewandelten Truppenübungsplätzen, neue Wälder entstehen. Aber hier führt uns eben die Statistik zunächst an der Nase herum.

Wirtschaftsfaktor Wald

Der Wald steht unter einem immer größeren Druck – dem Druck der Wirtschaftlichkeit. Seit Anfang der 90er Jahre ist die Holzentnahme aus den deutschen Wäldern parallel zum Verbrauch kontinuierlich angestiegen. Allerdings wurde bis vor kurzem noch mehr Holz importiert als exportiert. Das hat sich inzwischen geändert. 2010 ist die Bundesrepublik laut Greenpeace Deutschland zum zweitgrößten Holzexporteur weltweit hinter China aufgestiegen. Die USA und Kanada folgen erst auf Rang drei und vier! Zudem hat sich die Nutzung des entnommenen Holzes stark verändert. Wurde 2002 noch mehr als 2/3 des gerodeten Holzes stofflich, also langfristig (Möbel, Parkett usw.) genutzt so steht das Verhältnis zwischen stofflicher und energetischer Nutzung heute bereits bei einem Verhältnis von 50:50 – bei konstant steigendem Gesamtverbrauch. Hier ist die steigende Nutzung von Holzpellet-Heizungen und deren staatliche Förderung eine Ursache.

Import und Export von Holz weltweit
Übersicht über die größten Holz-Exporteure

Früher wurden hauptsächliche Holzabfälle zur Herstellung von Holzpellets verwendet. Die aktuelle Nachfrage ist allerdings damit kaum mehr abzudecken und so werden auch zunehmend Waldhölzer verwendet. Bäume werden vollständig verwertet. Das klingt zunächst gut, aber bei genauerer Betrachtung ergeben sich daraus massive Probleme. Man rückt mit schwerem Gerät in den Wald um z. B. auch noch Baumstümpfe mit ihren Wurzeln herauszureißen und zu verwerten. Dadurch werden die feinen Poren, die für die Belüftung des Waldbodens notwendig sind zerstört. Der Boden erstickt und Baumwurzeln faulen ab. Auch Baumkronen, die früher im Wald verrotten konnten und so ihre gespeicherten Mineralstoffe (ca. 50% der gesamten Mineralien eines Baumes) wieder an den Wald abgeben konnten, werden heute der Pellet-Produktion zugeführt. Somit laugt der Waldboden nach und nach aus. Das rächt sich wiederum an den nachwachsenden Baumgenerationen.

Waldrebell aus der Eifel

Die Nachfrage nach Holz steigt also kontinuierlich und somit auch das Potential der wirtschaftlichen Nutzung unserer Wälder. Ausnutzung nennen es Einige! Die Forstwirtschaften stehen also unter einem immensen, wirtschaftlichen Druck. Einer der sich diesem Druck entzogen hat, ist Peter Wohlleben, seines Zeichens Förster in Hümmeln in der Eifel. Sein Wald ist ein natürlicher Buchenwald. Keine Fichtenkultur, wie sie in vielen Gebieten Deutschlands zu finden ist. In seinem Wald kann sich das Waldleben prächtig entwickeln und es gibt keinen versauerten Waldboden. Würde man den Wald in Deutschland nicht bewirtschaften, dann würde er überwiegend aus Laubbäumen, im Besonderen aus Buchen bestehen. Seit mehr als 15 Jahren bewirtschaftet Wohlleben seinen Wald im tatsächlichen Einklang zwischen Ökologie und Ökonomie. So verbietet er in seinem Revier zum Beispiel den Einsatz von schweren Harvestern, die den Waldboden zerstören. Stattdessen fällen Forstarbeiter die Bäume per Hand und Pferde ziehen sie an den Wegrand. Das ist sicher auf den ersten Blick teurer als die Ernte mit dem Harvester. Aber durch seine lukrative Waldwirtschaft macht er trotzdem Gewinn – im letzten Jahr rund 300.000,- €. 2006 ließ sich Peter Wohlleben aus dem lebenslangen Beamtendienst entlassen und wurde von der Gemeinde Hümmeln, die ihrerseits die Bewirtschaftung ihres Waldes durch den Staatsforst aufgekündigt hatte, als Förster eingestellt. Inzwischen verdient er sogar einen Teil seines Gewinnes damit, überhaupt nicht mehr in den Wald einzugreifen. Unternehmen wie z. B. Forest Finance unterstützen das Projekt „Wilde Buche“. Ein Teil des Waldes wurde komplett aus der Nutzung genommen, um hier einen Urwald von Morgen entstehen zu lassen. Auch ein Urnenforst wurde eingerichtet in dem sich bereits 2500 Menschen einen Grabplatz gekauft haben.

Alte Buchenwälder
Alte Buchenwälder im Spessart – so könnten die Urwälder von Morgen aussehen.

Zielsetzung der Bundesrepublik – Urwälder entstehen lassen

Eine Vorgabe der Bundesregierung innerhalb der Nationalen Biodiversitätsstrategie besagt, dass 5 % der gesamten deutschen Waldfläche (bzw. 10 % der Staatsforsten) aus der Nutzung genommen werden und in zukünftige, biologisch wertvolle Urwälder umgewandelt werden sollen. Bis heute konnte nur ein Bundesland, nämlich Mecklenburg-Vorpommern dieses Ziel erfüllen. Vor allem die waldreichen Bundesländer wie Thüringen, Bayern (beide unter 2%), Hessen und Baden-Württemberg (beide unter 1%) hinken diesem Ziel erheblich hinterher.

Es wird Zeit, umzudenken. Wir sind fast an einem Punkt angekommen, an dem wir dem Wald mehr Holz entnehmen, als nachwachsen kann. Der Wald verliert seine CO2-Senkenfunktion. Die Fichtenplantagen sind anfällig für Krankheiten und vertragen den Klimawandel nicht. Aber sie wachsen schneller als Buchen und versprechen somit höhere Gewinne. Allerdings kann das nicht unser alleiniges Ziel sein. Wir müssen zunächst den Lebensraum Wald für Mensch und Tier erhalten und schützen indem mehr Schutzgebiete eingerichtet werden. Wir müssen die natürlichen Jäger in den Wäldern wieder zulassen, um das ökologische Gleichgewicht im Wald wieder herzustellen. Dann können wir den Wald auch wirklich nachhaltig bewirtschaften. Ganz am Anfang dieses Prozesses steht allerdings mit Sicherheit die Herausforderung, unseren Konsum zu ändern.

 Bildquelle: Greenpeace Deutschland; Michael Kunkel

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