Die Agenda21 in Aschaffenburg

Bereits 1992 wurde die Agenda21 im Rahmen der Umwelt- und Entwicklungskonferenz UN in Rio de Janeiro von 170 Staaten unterzeichnet. Ein Auszug aus der Präambel zur Agenda21 lautet: „In der Agenda21 werden die dringlichsten Fragen von heute angesprochen, während gleichzeitig versucht wird, die Welt auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. Die Agenda21 ist Ausdruck eines globalen Konsenses und einer politischen Verpflichtung auf höchster Ebene zur Zusammenarbeit im Bereich von Entwicklung und Umwelt.“

Bereits 1995 entschloss sich die Stadt Aschaffenburg zur Ausarbeitung einer lokalen Agenda21. Im Rahmen dieser wurde das Projekt „Eine-Welt-Bilanz“ für Aschaffenburg von der Stadt Aschaffenburg und dem Nord-Süd Forum erstmals 2003 aufgelegt. Wissenschaftlich begleitet wird dieses Projekt von der evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg. Dieses Projekt soll das Bewusstsein dafür wecken, dass beim lokalen Handeln globale Auswirkungen folgen. Der Kauf von Fleisch, Kaffee, eines Fußballs oder einer Rose kann im Süden der Welt schlimme folgen haben. Insgesamt gibt es seit 2003 eine positive Entwicklung. So hat das Aschaffenburger Streuobstprojekt Schlaraffenburger ebenso zugelegt, wie der Absatz von Partnerkaffee. Gleichzeitig ist aber z. B. die Anzahl der Flugreisenden aus Aschaffenburg gestiegen. Das Stichwort „Sanfter Tourismus“ ist insgesamt weniger bekannt als noch 2003.

Regionales und saisonales Obst und Gemüse vom Markt oder fair gehandelte Fußbälle und Rosen - unser lokaler Konsum hat auch globale Auswirkungen.
Regionales und saisonales Obst und Gemüse vom Markt oder fair gehandelte Fußbälle und Rosen – unser lokaler Konsum hat auch globale Auswirkungen.

Frau Rike Schweizer von der evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg betreut das Projekt. Wir haben ihr zu diesem Thema einige Fragen gestellt:

„Nachhaltigkeit“ und „Bio“ sind aktuell sehr präsente Begriffe. Auch – oder erst recht – im Bereich der Lebensmittel. Immer mehr Menschen möchten sich bewusst ernähren und auch verstärkt regional einkaufen – das ist ein klarer Trend. Trotzdem betrug 2011 der Anteil der Bio-Lebensmittel am gesamten Lebensmittelumsatz in Deutschland gerade mal 3,7 %. Und die Umsatzsteigerung in Höhe von 9 % im Vergleich zu 2010 ist zu einem großen Teil auf Preiserhöhungen zurückzuführen. Was muss ihrer Meinung nach getan werden, damit das Bewusstsein für biologisch produzierte, bevorzugt regionale Lebensmittel wächst?

Prozentual ist der Absatz an biologisch erzeugten Produkten in den vergangenen Jahren zum Teil zweistellig gestiegen. Etwas mehr Sorgen macht dann eher, dass der ökologische Landbau in Deutschland nicht in gleichem Maße gestiegen ist. Das bedeutet also, dass Bioprodukte verstärkt aus dem Ausland importiert werden – häufig sogar außereuropäisch was dann nicht mehr unbedingt so ökologisch ist. Fest steht, dass „Bio“ nicht mehr nur noch als für „dauerstrickende Ökos“ verschrien ist. Nicht zuletzt der teilweise Einzug in Discounter, die Ausweitung von Bio-Supermärkten hat hier bereits einiges bewirkt. Dennoch haben Sie Recht, dass der Absatz noch zu gering ist. Und auch das, was in Discountern als bio verkauft wird, entspricht häufig nicht sonderlich strengen Kriterien.

Um den Absatz, besonders von streng zertifizierten biologischen, saisonalen und regionalen Produkten zu erhöhen, ist meiner Meinung nach – wie so oft – weiter und verstärkte Aufklärungsarbeit wichtig. Biologischer Landbau bedeutet ja nicht nur positive Effekte für Gesundheit und Bodenqualität sondern z.B. auch für das Klima. Schließlich kann man seine nahrungsbedingten Treibhausgasemissionen durch Umstellung auf biologisch, saisonal, regional und Reduktion von tierischen Produkten gut um die Hälfte und mehr reduzieren. Aufklärung hierüber sollte sowohl in den Schulen, als auch medial kontinuierlich stattfinden und aufgebauschte vereinzelte „Bio-Skandale“ aus der Prioritätenliste verbannen.

Biologisch, regional und nachhaltig: Schlaraffenburger Apfelsaft von regionalen Streuobstwiesen.
Biologisch, regional und nachhaltig: Schlaraffenburger Apfelsaft von regionalen Streuobstwiesen.

In der Eine-Welt-Bilanz wird in der Summe bis dato ein positives Fazit zur Entwicklung in puncto Nachhaltigkeit für den Raum Aschaffenburg gezogen. Ein Rückschlag ist allerdings zum Beispiel in der CO2 Bilanz zu verzeichnen. Verkehrszunahme und vermehrte Fernreisen sind dafür verantwortlich. Die Stadt Aschaffenburg ist derzeit an der Planung, die Verkehrsführung so zu gestalten, dass mehr Einwohner das Fahrrad nutzen. Wie können solche Konzepte aussehen?

Verkehrszunahme ist ja leider nicht nur in Aschaffenburg ein verbreitetes Phänomen.

Mit Projekten wie dem „Stadtradeln“ setzt die Stadt Aschaffenburg schon gewisse Zeichen. Doch um daraus Regelmäßigkeiten zu machen, müssen sicher die Radwege weiter ausgebaut werden. Der Bereich um den Bahnhof bietet Verbesserungspotenzial, auch gibt es immer noch kein durchgehendes Radwegenetz.

Was den Nachhaltigen Tourismus angeht könnten die lokalen Reisebüros noch einiges tun. Blickt man stichprobenartig auf einige Internetpräsenzen der Reisebüros ist da nirgendwo etwas über nachhaltigen Tourismus zu sehen. Selbst wer Fernreisen anbietet hat – z.B. über CO2-Kompensation – die Möglichkeit die Reisen etwas weniger umwelt- und klimaschädlich zu gestalten.

Die Verkehrssituation für Fahrradfahrer gestaltet sich nicht nur am Bahnhof in Aschaffenburg kritisch.
Die Verkehrssituation für Fahrradfahrer gestaltet sich nicht nur am Bahnhof in Aschaffenburg kritisch.

Die Auswirkungen von persönlichem Konsum auf die Umwelt und Menschen in anderen Ländern, meist aus der dritten Welt sind nach wie vor vielen Menschen nicht bewusst. Muss hier nicht ganz gezielt schon an der Aufklärung von Kindern gearbeitet werden?

Zweifelsohne. Generell müssen Themen zum bewussten Konsum in den bayrischen Lehrplan besser platziert werden. Außerschulisches Lernen, das Kennenlernen des hiesigen Weltladens, die Beschäftigung mit globaler Gerechtigkeit, etc. sind Elemente, die man in die Schulbildung kaum genug integrieren kann. Hier bietet es sich an mit Einheiten zu Produkten zu beginnen, die Kindern besonders am Herzen liegen, weil sie Teil ihres Alltags sind. Sei es die Kinderarbeit in Pakistan zur Massenproduktion von Fußbällen für den Weltmarkt, die Unmengen an Pestizide, die jedes Kind täglich an seiner Kleidung trägt, die unfairen Arbeitsbedingungen, die in der Schokoladenproduktion Alltag sind usw.

Das Aschaffenburger Streuobstprojekt „Schlaraffenburger“ hat sich zu einem Vorzeigeprojekt entwickelt. Viele, die im Bereich der Nachhaltigkeit selbständig tätig werden wollen, scheitern an bürokratischen Hürden oder bereits am mangelnden Glauben in den wirtschaftlichen Erfolg der Idee. Welche Tipps können Sie Unternehmensgründern mit auf den Weg geben?

Das ist eine sehr allgemeine Frage. Es hängt natürlich maßgeblich von der Branche ab, in der man sich die Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben will. Nachhaltigkeit ist auch ein so weites Feld, dass sich in bestimmtem Maß in fast jede Selbstständigkeit integrieren lässt. Wichtig ist dann allerdings meiner Meinung nach glaubwürdig zu sein. Sich nur einen öffentlichkeitswirksamen Aspekt rauszusuchen und mit diesem auf der Fahne dann vermeintlich nachhaltig zu wirtschaften wird (hoffentlich) schnell vom Kunden erkannt und geht dann gegebenenfalls nach hinten los.

Es kann helfen andere „Pioniere“ zu finden und nach deren Schwierigkeiten und Erfolgen zu fragen. Auch wenn man hier unter Umständen Gefahr läuft als Konkurrent betrachtet zu werden. Dann gibt es Stellen (auch direkt in Aschaffenburg), die Beratung für Umweltmanagement, Corporate Social Responsibility oder ähnliches anbieten. Größeren Unternehmen empfehle ich ein solides Umweltmanagement anzustreben (z.B. EMAS) – allerdings ist das für kleinere in der Tat sehr aufwendig. Kleinere Unternehmen bzw. Projekte leben von der Einbeziehung lokaler Einrichtungen. Gute Erfahrungen bei kleinen Lebensmittelproduzenten wurden gemacht, wenn für einzelne Elemente (z.B. Layout von Produktetiketten, etc.) Wettbewerbe ausgeschrieben werden – an Schulen der Region beispielsweise. Das integriert und schafft gleichzeitig einen Namen und die ersten Kunden.

Der wirtschaftliche Erfolg ist nie garantiert – doch der positive Ruf von „nachhaltigen“ Produkten scheint noch eine Weile anzuhalten, sodass man mit ein paar pfiffigen Marketingstrategien am Aspekt „Nachhaltigkeit“ nicht scheitern wird.

Rike Schweizer betreut das Projekt "Eine-Welt-Bilanz" im Rahmen der Aschaffenburger Agenda21.
Rike Schweizer betreut das Projekt „Eine-Welt-Bilanz“ im Rahmen der Aschaffenburger Agenda21.

Zur Person: Rike Schweizer, Diplom Sozialwissenschaftlerin arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft und der Klima-Kollekte zu den Themen „Nachhaltige Entwicklung“, „Klimaschutz“ und „Biodiversität & Kirche“. Sie ist Mitautorin der 2012 erschienenen „Eine-Welt-Bilanz Aschaffenburg“ und nebenberuflich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit tätig.

Die Eine-Welt-Bilanz liegt als Broschüre vor. Interessierte können sie im Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz, Pfaffengasse 11 bestellen: Tel. 06021 330-17744 oder per E-Mail: agenda21@aschaffenburg.de

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